Vor drei Jahren sorgte Kaleb Lechowski, damals noch Student, mit seinem Animationskurzfilm „R’ha“ weltweit für Aufsehen. Begeisterte Hollywood-Produzenten trafen sich mit dem Animationskünstler. Nun soll „R’ha“ allerdings doch nicht mithilfe großer Studios, sondern via Kickstarter zum Kinofilm werden. Wieso? Das hat WIRED den jungen Filmemacher gefragt.
Ein weißhäutiges Alien ist in einem dunklen Raum an ein Stahlgerüst gekettet. Ein riesiger Maschinenkopf mit roten Sensoraugen fährt um das vierarmige Wesen herum und verhört es. Mit verzerrter Stimme und verstörender Nüchternheit fragt die Künstliche Intelligenz nach der Position der Raumflotte des Außerirdischen. Denn die Maschinenwesen wollen jene, von denen sie einst als Kriegswaffen erschaffen wurden, nun ausrotten. Doch dem Alien gelingt die Flucht – scheinbar zumindest.
Auch heute noch ist der 2013 als Hochschulprojekt entstandene Animationsstreifen „R’ha“ von Kaleb Lechowski optisch wie auch in seiner Inszenierung beeindruckend. Alleine auf Vimeo wurde er über drei Millionen mal angeschaut – in zahlreichen Kopien auf YouTube noch deutlich öfter: insgesamt zählt der Kurzfilm über 20 Millionen Views. Deswegen klopfte Hollywood seinerzeit bei Lechowski an.
„Es waren so ziemlich alle großen Studios dabei. FOX, Paramount und Warner Bros.“, erklärt er gegenüber WIRED. „Ich war außerdem bei Dreamworks, Legendary, bei J.J. Abrams‘ Bad Robot und Ridley Scotts Scottfree.“ Allesamt haben sie sich mit ihm und seinem Manager Scott Glassgold getroffen. Einige waren sehr interessiert, „R’ha“ auf die große Leinwand zu hieven. Allerdings waren die Treffen für Lechowski nicht nur „aufregend und respekteinflößend“, sondern auch ernüchternd.
Denn so sehr der Kurzfilm die Studios verblüffte, so sehr verschreckte er sie auch. „‚R’ha‘ hat einen unbekannten Regisseur, basiert auf keinem Franchise und hat keine menschlichen Charaktere“, erklärt sich der in Berlin lebende 26-Jährige die Reaktion. Das sei den Studios einfach zu riskant gewesen. Sie hätten etwa menschliche Helden und eine weniger düstere Atmosphäre verlangt.
„Es gibt die Möglichkeit, Sprechrollen an bekannte Darsteller zu vergeben und auch das Projekt selbst ist bereits populär“, lauteten Lechowskis Gegenargumente. Doch diese hätten für die Studios nicht die geschätzten Drehkosten von 100 Millionen Dollar gerechtfertigt. „Ein solches Konzept funktioniert einfach nicht im klassischen System“, glaubt der frühere Student der Media Design Hochschule Berlin deswegen heute.
Allerdings habe er wohl auch falsche Vorstellungen gehabt, sei „lange Zeit zu inaktiv“ gewesen und habe „zu viel auf Reaktionen gewartet.“ Nachdem es nach zwei Jahren kaum Fortschritte gab, hatte er schließlich die Befürchtung, dass „R’ha“ sich wie so viele Drehbücher und Ideen sich im Sande verläuft oder in der berüchtigten Development Hell landet – dem Ort für Filme, die auf ewig im Entwicklungsprozess feststecken. Deswegen will Lechowski seine Vision nun auf eigene Faust verwirklichen.
„Ich habe R’ha nach drei Jahren nun wieder selbst in die Hand genommen und auf Kickstarter gepackt“, erklärt er lapidar. Doch die Idee dahinter ist komplex. Auch wenn das langfristige Ziel der Kampagne ein Kinofilm sei, soll mit dem auf 40.000 Euro angesetzten Spendenziel zunächst bis Ende des Jahres nur ein neuer Kurzfilm realisiert werden. „R’ha 2“ solle die Welt des ersten Teils ausbauen, frisches Interesse an dem Projekt wecken und Lechowski und sein Team „als fähig demonstrieren.“
Dadurch hoffen der Filmemacher und sein Produzent Steve Tzirlin, Investoren zu finden, die das Abenteuer eines „R’ha“-Kinofilms eingehen wollen. Ähnliches ist schließlich schon den finnischen Machern der Sci-Fi-Comedy „Iron Sky“ und dem niederländischen Regie-Talent Mischa Rozema mit seiner Dystopie „Sundays“ geglückt.
Mehr als die Hälfte der 40.000 Euro hat die Kampagne schon nach wenigen Tagen eingefahren. Noch knapp ein Monat bleibt für den Rest. Sollten mehr als 250.000 Euro zusammenkommen, verspricht der Filmemacher, würde er hingegen nicht nur einen Kurzfilm, sondern mit seinem Team auch eine Szene auf Kinoniveau produzieren. Eine Art Proof-of-Concept wäre sie – ähnlich der imposanten Test-Footage zu „Deadpool“, die Comic-Fans begeisterte und so auch die Manager von 20th Century Fox überzeugte, dem kontroversen Superheldenstreifen grünes Licht zu geben. Würden gar 500.000 Euro zusammenkommen, könnte Lechowski hingegen gleich mit der Vorproduktion des Langfilms beginnen.
Wie der finale „R’ha“-Film letztlich en détail ausschauen soll, das will Lechowski noch nicht verraten. Nur dass es eine Kriegsgeschichte wäre. Konkrete Vorstellungen, Drehbuchentwürfe und Designs für „eine größere Welt mit mehr Charakteren“ habe er schon. Wenn alles gut läuft, so hofft er, könnte der Kinostreifen in zwei bis drei Jahren Realität sein. „Ich habe allerdings vor drei Jahren auch schon spekuliert, dass der Film jetzt schon in den Kinos wäre.“
Alternativ gibt es auch Überlegungen, ob nicht vielleicht eine Serie das passendere Format wäre, sagt Lechowski. Nun gehe es aber erst einmal darum, zu zeigen, dass „R’ha“ überhaupt noch da ist. „Niemanden interessiert ein Deal oder ein neues Drehbuch. Jedenfalls nicht die Zuschauer“, so der Jungregisseur. „Die wollen einen Film und mit unserer Kickstarter-Kampagne kommen wir diesem Ziel näher als mit jedem anderen Plan in den letzten drei Jahren.“
Sollte der Spendenaufruf trotz des guten Starts scheitern will der Berliner dennoch nicht aufgeben. „Im schlimmsten Fall wird ‚R’ha‘ für unbestimmte Zeit auf Eis gelegt“, sagt er. Aber auch dann werde man in Zukunft das ein oder andere von ihm zu sehen bekommen. Derzeit arbeite er etwa an einer Pilotepisode zu einer postapokalyptischen Science-Fiction-Serie, die sich mit dem Überleben in einer feindlichen Welt beschäftige.
Quelle: https://www.wired.de/collection/latest/warum-deutschlands-science-fiction-hoffnung-statt-hollywood-doch-wieder-auf
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